Vorträge | GeographInnentag in Passau, 2.-8.10.2013
Auf dem diesjährigen GeographInnentag wurden zahlreiche Forschungsergebnisse des Verbunds zur Diskussion gestellt.
Erste Beiträge sind nun als Audio abrufbar:
- Nils Grube (Projekt Kulturinszenierungen): Standortbestimmung. Visualisierung von Aufwertungsprozessen am Beispiel des Frankfurter Bahnhofsviertels (S 59, Referat 1) -> ZUM AUDIO
- Nadine Marquardt (Projekt Wohnungslosigkeit): Sich zuhause fühlen. Das Regieren affektiver Bindungen in Einrichtungen des betreuten Wohnens (FS 121, Referat 1)
- Iris Dzudzek, Mathias Rodatz (Projekte Kreativpolitik, Migrationspolitik): Regieren durch Differenz (LTS B1, Referat 4) -> AUDIO IN KÜRZE
- Felix Silomon-Pflug (Projekt Liegenschaftsverwaltung): Neoliberale Neuordnung des lokalen Staates als Verlust relativer Autonomie (FS 17, Referat 4) -> ZUM AUDIO
- Sebastian Schipper (Projekt Unternehmerische Stadt): Globale Krisen als Mittel zur Durchsetzung einer neoliberalen Neuordnung des Städtischen (FS 116, Referat 1)
- Iris Dzudzek, Peter Lindner (Projekt Kreativpolitik): Zwischen Marktlogik, Stadtplanung und Kulturpolitik: Das Konzept der „kreativen Stadt“ und seine Performationen (FS 116, Referat 4) -> ZUM AUDIO
- Susanne Heeg (Projektleitung: Liegenschaftsverwaltung): Responsibilisierung und Finanzialisierung des Wohnens (LTS B2, Referat 4) -> ZUM AUDIO
Donnerstag, 03.10.2013, 13:35–14:00 (S 59, Referat 1)
Standortbestimmung. Visualisierung von Aufwertungsprozessen am Beispiel des Frankfurter Bahnhofsviertels
Nils Grube (Projekt Kulturinszenierungen)
Der Beitrag möchte am Fallbeispiel des imagepolitisch getragenen Aufwertungsprozesses des Frankfurter Bahnhofsviertels eine Kartierungsmethode vorstellen, die ermöglicht, Themen der kritischen Stadtforschung, Ansätze der Sozialgeographie und Raumtheorie sowie visuelle Mapping-Methoden zu vereinen. Basierend auf der grundlegenden Annahme der kritischen Kartographie, dass Karten nie objektiv und durch unterschiedlich starke Betonung seiner inhaltlichen Elemente stets Ausdruck bestimmter Interessenslagen sind, liefert dieser Beitrag einen Ansatz, wie sich imagepolitische Interventionen der Stadtpolitik visualisieren lassen. Am Fallbeispiel des Frankfurter Bahnhofsviertels wird aufgezeigt, wie im Rahmen des Aufwertungsprozesses des Viertel sowohl über mediale Berichterstattung als auch über erlebnisorientierte in situ-Veranstaltungsformate bestimmten Orten und Routen eine erhöhte Aufmerksamkeit zukommt. Beim vorgestellten Mapping-Verfahren werden diese räumlichen Verteilungsmuster überlagert, so dass sich ein Bild von Inseln (und Peripherien) der Aufwertung ergibt. Die Darstellung ermöglicht, Fragen zu möglichen Folgeeffekten der gezielten Setzung von Aufmerksamkeitsschwerpunkten als auch Auswirkungen für die Bewohner und Nutzergruppen des Viertels zu diskutieren.
Freitag, 04.10.2013, 13:35–14:00 (FS 121, Referat 1)
Sich zuhause fühlen. Das Regieren affektiver Bindungen in Einrichtungen des betreuten Wohnens
Nadine Marquardt (Projekt Wohnungslosigkeit)
Der Vortrag untersucht Einrichtungen des betreuten Wohnens für Wohnungslose, in denen als nicht wohnfähig geltende Personen das Wohnen erlernen sollen. Zunächst wird nachgezeichnet, welche Problematisierungen von Wohnfähigkeit in diesen Räumen operativ werden. Mithilfe einer gouvernementalen Analyseperspektive wird die therapeutische Rationalität freigelegt, die im betreuten Wohnen vor allem die affektive Bindung an Orte und Dinge und damit das materielle Gefüge des Alltagslebens zum Gegenstand sozialarbeiterischer Eingriffe macht. Mithilfe von Ansätzen aus dem Feld des new materialism geht der Vortrag anschließend der Frage nach, wie sich jenseits psychologisierender Perspektiven über Wohnfähigkeit und die Bedeutung von affektiven Bindungen an Orte und Dinge für das Wohnen nachdenken lässt. Konzepte transindividueller Affektivität ermöglichen alternative Erzählungen und neue Fluchtlinien der Kritik: Wohnen wird sichtbar als immer schon „betreut“ – von Beziehungen wie auch von Dingen.
Samstag, 05.10.2013, 10:35–11:00 (LTS B1, Referat 4)
Regieren durch Differenz
Iris Dzudzek, Mathias Rodatz (Projekte Kreativpolitik, Migrationspolitik)
Die Anerkennung von Differenz stellte lange Zeit eine zentrale politische Forderung gegen die Normierungen des (lokalen) Wohlfahrtstaates dar. In aktuellen städtischen Politiken werden diese differenzpolitischen Forderungen partiell anerkannt. Neuen stadtpolitischen Leitbildern (z.B. „Stadt der Vielfalt«; „Creative“ oder „Global City“), die Differenzen zu ihrem konstitutiven Moment erklären, kommt dabei eine zentrale Rolle zu. Der Vortrag zeigt am Beispiel politischer Strategien und Praktiken in Frankfurt, wie sich diese gewonnenen „Freiheiten“ unter den Vorzeichen von urban governance und workfare mit neuen Regierungsmechanismen verbinden. Integrations– und Responsibilisierungsstrategien zielen darauf, Differenzen produktiv zu machen. Differenzen, die sich nicht in Mehrwert transformieren lassen, werden neuen Kontroll– und Ausschlussmechanismen unterworfen. Die politische Normalisierung von Differenz in der Stadt lässt sich somit vor allem als Versuch verstehen, durch Differenz zu regieren.
Sonntag, 06.10.2013, 10:35–11:00 (FS 17, Referat 4)
Neoliberale Neuordnung des lokalen Staates als Verlust relativer Autonomie
Felix Silomon-Pflug (Projekt Liegenschaftsverwaltung)
Neoliberalisierungsprozessen werden von Befürworter_innen Zugewinne an Handlungsfreiheit und Autonomie auf lokaler Ebene attestiert. Aus staatstheoretischer Perspektive verfügt der lokalen Staat über eine „relative Autonomie“ und eigene „Regulierungsressourcen“ gegenüber gesellschaftlichen Kräften (vgl. Brenner 2009, Krätke et al. 1987). Am Beispiel städtischer Liegenschaftsverwaltung zeigt sich, dass die neoliberale Neuordnung städtischer Verwaltungen jedoch mit der Infragestellung dieser „relativen Autonomie“ und „Regulierungsressourcen“ einhergeht. Städtische Verwaltungen – verstanden als Staatsapparate des lokalen Staates – wurden seit den frühen ›90er Jahren unter dem Einfluss des sog. New Public Managements heterogenen Rationalisierungen unterzogen, die neben der Restrukturierung der Binnenstruktur auch die Schaffung von Governance-Strukturen zur Folge hatten. Im Bereich städtischer Liegenschaftsverwaltung lassen sich einerseits eine ökonomische Rationalisierung in der Wahrnehmung von und dem Umgang mit öffentlichen Liegenschaften feststellen. Andererseits kam es zur (teilweisen) Verlagerung der Liegenschaftsverwaltung in privatrechtliche Organisationsformen. Mit Hilfe staatstheoretischer Überlegungen lässt sich anhand dieser Entwicklungen aufzeigen, inwieweit neoliberale Neuordnungen zu einem Verlust an „relativer Autonomie“ und in der Folge auch zu Entdemokratisierungsprozessen führen.
Sonntag, 06.10.2013, 13:35–14:00 (FS 116, Referat 1)
Globale Krisen als Mittel zur Durchsetzung einer neoliberalen Neuordnung des Städtischen
Sebastian Schipper (Projekt »Unternehmerische Stadt«)
Angesichts der „Neuordnung des Städtischen im neoliberalen Zeitalter“ wird in der geographischen Stadtforschung, das „Verhältnis von global verfügbaren Politikmodellen und lokalen Transformationsleistungen als Schlüssel zum Verständnis der Durchsetzung neuer stadtpolitischer Lösungsansätze diskutiert“ (CfP zur FS17). Für die Adaption und Hervorbringung neoliberaler Leitbilder und Strategien scheinen mir aber ökonomische Krisen nicht minder zentral zu sein, mittels derer lokale Widerstände überwunden und hegemoniale Konsense hergestellt werden. Am Beispiel von Transformationsprozessen städtischer Politik in Frankfurt am Main seit den 1980er Jahren möchte ich daher den Zusammenhang zwischen globalen Krisen und lokalen Restrukturierungen aus regulationstheoretischer Perspektive aufzeigen.
Sonntag, 06.10.2013, 15:35–16:00 (FS 116, Referat 4)
Zwischen Marktlogik, Stadtplanung und Kulturpolitik: Das Konzept der „kreativen Stadt“ und seine Performationen
Iris Dzudzek, Peter Lindner (beide Frankfurt am Main)
Im Diskurs über die kreative Stadt überschneiden sich verschiedene Politikfelder, die sich durch unterschiedliche und nicht selten widersprüchliche Logiken des Regierens auszeichnen. Dennoch aber erscheint er als ein kohärentes Skript regionalökonomischer Entwicklung, das mittlerweile weltweit Anwendung findet. Es wird performativ in alltägliche Institutionen und Routinen eingeschrieben und weitet neoliberale Regierungsweisen auf neue Lebensbereiche und Subjekte aus. Aufbauend auf eine Fallstudie in Frankfurt a.M. beschäftigt sich der Vortrag mit der Frage, wie die unterschiedlichen Rationalitäten unternehmerischen Handelns, der Stadtplanung sowie der Kunst– und Kulturpolitik in diesem ‚konsensualen‘ Projekt zusammengeführt werden, das wir als „Kreativpolitik“ bezeichnen. Dazu werden insbesondere die Mechanismen – von einem machtvollen zum Schweigen bringen alternativer Narrative bis hin zur Konstruktion von scheinbaren Win-Win-Situationen – in den Blick genommen, mit denen Brüche und Widersprüche überbrückt oder zumindest temporär aufgehoben werden.
LTS B2, Referat 4: Responsibilisierung und Finanzialisierung des Wohnens
Susanne Heeg (Frankfurt am Main)
Bislang war in deutschen Städten das Wohnen im Eigentum – entweder im Eigenheim oder in der Eigentumswohnung – die Ausnahme. Insbesondere in Großstädten dominierte das Wohnen zur Miete. Gegenwärtig ändert sich dies: Großstädte wie Frankfurt, Berlin, Hamburg, Köln und München sind gegenwärtig geprägt von einer Kauflust privater und institutioneller Investoren. Zugleich hat in vielen Städten ein Ausverkauf und/oder Vermarktlichung des öffentlichen Wohnungsbestandes stattgefunden. Dies hat dazu beigetragen, dass die Preise sehr stark angestiegen sind. In dem Beitrag wird die aktuelle Entwicklung auf städtischen Wohnungsmärkten in Deutschland als Folge einer Finanzialisierung von Immobilien sowie einer Responsibilisierung im Bereich der Wohnversorgung analysiert. Es wird gefragt, welche Folgen dies in Städten hat.
