DFG-Forschungsverbund
Im Forschungsverbund werden Dynamiken und Effekte der Neuordnungen des Städtischen im neoliberalen Zeitalter anhand von Prozessen städtischer Politikformulierung und daran anschließender Praktiken erforscht. Fünf Einzelprojekte, die seit 2010 in einem für drei Jahre von der DFG geförderten Paketantrag angesiedelt sind sowie drei weitere assoziierte Projekte untersuchen dies anhand unterschiedlicher stadtpolitischer Felder: Kreativitäts– und Diversity-Ansätze, Kulturpolitik, Migrationspolitik, Sicherheitspolitik, Wirtschaftspolitik, städtischer Verwaltungsarbeit sowie dem lokalen Wohlfahrtsstaat. Der Verbund ist aus der Zusammenarbeit im Rahmen des »Forschungsschwerpunkts Europäische Stadt– und Regionalentwicklung (ESR)« hervorgegangen, in dem Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verschiedener Disziplinen an der Goethe-Universität seit vielen Jahren fachübergreifend bei der Untersuchung verschiedener Phänomene der Stadtentwicklung kooperieren.
Städte, Stadtpolitiken und deren sozio-ökonomische Rahmenbedingungen haben sich in den letzten Jahrzehnten stark verändert. In wissenschaftlichen und politischen Debatten werden die veränderten Politikmuster vielfach als Trends der Vermarktlichung, Liberalisierung und der Etablierung neuer Wohlfahrtsregime beschrieben und mit dem Begriff des »Neoliberalismus« zusammengefasst. Die Durchsetzung neoliberaler Politikmuster lässt sich jedoch nicht als einfacher Abbruch bisheriger Regulationsmodi verstehen, sondern — nach Peck, Tickel, Theodore und Brenner — als Abfolge von Prozessen eines »roll back«, »roll out« und »deepening« neoliberalism begreifen. Als »roll back«-Phasen werden die grundlegende Infragestellung und Einschränkung vormaliger wohlfahrtsstaatlicher Instrumente der Stadtpolitik verstanden, als »roll out« hingegen die Entwicklung und Durchsetzung neuer Regulationsmodi bezeichnet, als »deepening« die Konsolidierung und Hegemoniebildung. Unter dem Schlagwort »neoliberale Stadtpolitik« wird die zunehmende Ausrichtung städtischer Politiken an ökonomischen Zielen und betriebswirtschaftlicher Effizienz subsummiert, die über eine Verstärkung von Wettbewerb und die Förderung von Verantwortungsübernahme durch die Bürger_innen hergestellt werden.
Bislang wurden die Heterogenität der Legitimationen, die Dynamik der Prozesse sowie die Widersprüchlichkeit der Effekte dieser Veränderungen für deutsche Städte jedoch nicht systematisch untersucht. Nicht alle aktuellen Neuordnungsprozesse weisen ausschließlich Merkmale einer neoliberalen Stadtentwicklung auf. Veränderungen der Stadtpolitik sind meist von einem Mix verschiedener Interventionsorientierungen und –legitimationen getragen und Neuordnungen lassen sich nicht als uniforme und lineare Prozesse verstehen, sondern werden in einem Spannungsfeld lokaler und überlokaler Bezüge ausgehandelt und bringen widersprüchliche Ergebnisse hervor. Auch die Diskussion um die Bedeutungsveränderung des modernen Nationalstaats unter den Bedingungen globalisierter Produktionsverhältnisse macht deutlich, dass lokale Politik heute nicht ausschließlich über nationalstaatliche Hierarchien und nicht ohne (zwischenstädtische) Austauschprozesse, Vergleichsmechanismen und Beratungsimpulse in einer globalen Dimension begreifbar ist. Städtische Prozesse können daher weder aus sich heraus, noch als reine Blaupause regionaler, nationaler oder globaler Trends verstanden werden. Verfügbare Konzepte und Leitbilder werden nicht eins zu eins übertragen, sondern in lokalen Prozessen selektiv herangezogen, modifiziert, verändert und ergänzt. Lokale Pfadabhängigkeiten aber auch lokaler Widerstand formen die Stadtentwicklungspolitken, so dass internationale Vorbilder keinesfalls in Reinform kopiert werden.
Diese Prozesse gilt es zu beschreiben und die Flexibilität des städtischen Neoliberalismus zu analysieren. Im Verbundprojekt werden Orte/Räume/Städte deshalb als Ergebnis von heterogenen Diskursen, Machtstrategien, und Auseinandersetzungen untersucht, die sowohl materiell als auch symbolisch vermittelt werden. Dabei stehen zwei Fragen im Fokus der gemeinsamen Diskussion: Wie vollziehen sich Neuordnungen des Städtischen in Diskursen, Strategien und Praktiken und welche lokalpolitischen Konsequenzen hat die Formierung neuer Leitbilder und Instrumente? Wie erfolgt die Bezugnahme auf global verfügbare Modelle, Leitbilder und Impulse in lokalen Neuordnungsprozessen, bzw. wie prägen lokalpolitische Handlungsräume die Formulierung und Umsetzung neuer Formen der Stadtpolitik?