Kreativpolitik – Zur Ausgestaltung eines neuen Politikfeldes in Frankfurt am Main
In der Diskussion um die zukünftige Entwicklung von Städten zeichnet sich seit mehreren Jahren ein neues Leitbild ab, das Wissen als zentrale Ressource in einer von Wettbewerb gekennzeichneten globalen Ökonomie ansieht. Zunehmend werden Kreativität und Vielfalt als kulturelle und ökonomische Ressourcen verstanden, die das symbolische Kapital von Städten erhöhten, Innovationsfähigkeit anregten und Wirtschaftswachstum generierten. Diese gelte es durch gezielte, neue Strategien zu mobilisieren, welche quer zu klassischen Politikfeldern liegen. Kreativität und Vielfalt werden damit zu Eigenschaften, die für den globalen Wettbewerb der Städte als zentral angesehen werden.
In der Folge kommt es zu einer Neuausrichtung von städtischen Förderpolitiken, –strategien und –programmen. Derzeit werden eine Vielzahl stadtpolitischer Governance-Instrumente entwickelt, die den Anforderungen einer globalisierten und wissensbasierten Ökonomie ebenso gerecht werden sollen wie einer zunehmend heterogenen Stadtgesellschaft. Sie zielen auf die Sicherstellung der Innovationsleistung von Städten und ihre Positionierung im globalen Wettbewerb, aber auch auf die interkulturelle Öffnung städtischer Institutionen und des lokalen Arbeitsmarktes.
Die Implementierung kreativer Stadtpolitik mit Hilfe neuer Governance-Technologien aber führt nicht automatisch zu einer Neoliberalisierung von Stadtpolitik. Vielmehr sind städtische Rationalitäten des Regierens umkämpft. Diese Kämpfe führen nicht selten zu einem Scheitern oder einer Transformation neoliberaler Logiken des Regierens und nicht notwendiger Weise ausschließlich zu ihrer Hegemonialisierung. Auch die Frage, was Neoliberalisierung bedeutet, ist Gegenstand städtischer Aushandlungsprozesse. Ehemals emanzipatorischer Forderungen nach Differenz, Selbststimmung und Freiheit beispielsweise sind zu einem charakteristischen Merkmal neoliberaler Kreativpolitik geworden.
Über Beispiel– und Einzelfallanalysen hinausgehend ist die Art und Weise, wie Kommunen mit einer querschnittsorientierten Politikentwicklung auf die Herausforderungen globaler, heterogener Gesellschaften und auf den Wandel hin zu einer wissensbasierten Ökonomie reagieren ebenso unverstanden wie ihre Aushandlung in der Stadtgesellschaft. Auch ist noch unklar, inwiefern die Etablierung neuer kreativpolitischer Steuerungsmodelle in der wettbewerbsorientierten Stadt zu einer Postpolitisierung führt. Dieses Defizit aufgreifend, widmet sich das Forschungsprojekt am Beispiel von Frankfurt am Main der Emergenz, Funktionsweise, Ausdifferenzierung und Wirkung eines neuen politischen Feldes, das als Kreativpolitik bezeichnet werden kann.
- Inwiefern entsteht ein Politikfeld in Frankfurt am Main, das als Kreativpolitik bezeichnet werden kann?
- Welche neuen Rationalitäten, Logiken und neuen Formen städtischen Regierens kennzeichnen dieses Politikfeld und inwiefern führen sie zur Veränderung bereits etablierter Formen der städtischer Regierung?
- Auf welche Diskurse wird bei der Etablierung dieser neuen Form der Regierung zurückgegriffen?
- Wie werden sie performativ in Gang gesetzt und lokal kontextualisiert?
- Hat sich das Bild der wachstumsorientierten Stadt im globalen Wettbewerb soweit naturalisiert, dass es selbst von führenden KulturvertreterInnen reproduziert und gar nicht weiter hinterfragt wird?
- Welche Formen von Unvernehmen, Widerstand, Subversion und Iteration gegen das globale Skript kreativer Stadtentwicklung lassen sich erkennen?
Leitung: Christian Berndt und Peter Lindner
Antragsteller: Peter Lindner, Christian Berndt, Pascal Goeke
Bearbeitung: Iris Dzudzek
Förderung: DFG
Dauer: 2010–2013
