Neue Urbane Ordnungen der Migration. Migrationspolitische Akteurs-Netzwerke in Frankfurt a.M.
In den vergangen Jahren ist der transnationale Alltag deutscher Stadtgesellschaften in den Mittelpunkt stadtpolitischer Identitätsdiskurse gerückt. Daran anschließende politische Strategien fokussieren die „Vielfalt“ städtischer Bevölkerungen mit potentialorientierten Integrationskonzepten, die Integrations– und Vielfaltspolitiken als dauerhafte Querschnittsaufgabe auffassen und (Post-)Migration und Transkulturalität als Ressource für die Stadtentwicklung in Wert setzen wollen. Damit einher geht auch ein neuer raumordnungspolitischer und sozialräumlicher Blick auf migrantisch geprägte Stadtteile. Auf programmatischer Ebene lässt sich die proklamierte Potentialorientierung als grundsätzlicher Bruch verstehen. Deutlich wird das im Kontrast zu städtischen Sozial– und Raumordnungspolitiken, die teilweise bis heute von den Grundsätzen einer national-kulturellen Homogenität geprägt sind. Im Kern dieser Ansätze standen stets eindeutige Dichotomien – zwischen „Deutschen“ und „Ausländern“ (oder zuletzt dem „Migrationshintergrund“), zwischen Mehrheits– und Minderheitenkulturen. Demgegenüber fassen neuere Konzepte die Stadtgesellschaft als (post-)migrantisch geprägte, aber auch generell stark ausdifferenzierte und hybridisierte Gesellschaft der „Stadt der Vielfalt“ auf.
Diesen Paradigmenwechsel nimmt das Projekt erstmals systematisch und empirisch fundiert anhand von einer Fallstudie in Frankfurt a.M. in den Blick:
- In welchem Verhältnis steht er zu übergeordneten Entwicklungen der Stadtpolitik?
- Inwiefern verwirklicht er sich im Kontext der spezifischen Vorraussetzungen in Frankfurt a.M. bzw. inwiefern entfalten sich innerhalb der städtischen Governance-Netzwerke (bspw. auf Ebene von Quartieren oder innerhalb einzelner Maßnahmen) lokal-spezifische Effekte?
- Inwiefern schlägt er sich für den raumordnungspolitischen Umgang mit Migrationsbevölkerung nieder und welche politischen und gesellschaftlichen Effekte werden in den entsprechenden Praktiken erzeugt?
Zentrale Arbeitsthese ist, dass sich der Wandel als Effekt einer übergeordneten neoliberalen Restrukturierung des Städtischen verstehen lässt. Denn Städte müssen sich zunehmend als eigenständige Ebene politischer Steuerung begreifen, die sich nicht auf nationalstaatliche Ordnungsmuster begrenzen lässt (zu allererst im Hinblick auf den Standortwettbewerb innerhalb globaler Ökonomien). Das Projekt geht aber davon aus, dass die konkrete Form sowie die politischen, gessellschaftlichen und sozialräumlichen Effekte im Zusammenspiel mit den heterogenen lokalen Kontexten städtischer Governancestrukturen (Stadt, Quartiere, Projekte) hervorgebracht werden – am Beispiel der Integrations– und Vielfaltspolitik der Stadt Frankfurt a.M. wird deshalb die Praxis dieser Politiken untersucht. Das Forschungsdesign erweitert dabei eine gouvernementalitäts-analytische Perspektive durch Konzepte der Actor-Network Theory und stützt sich auf die integrierte Analyse unterschiedlicher qualitativer Daten (Dokumente, Interviews, teilnehmende Beobachtung). Im Ergebnis ist ein äußerst ambivalentes Verhältnis von Neoliberalisierung und Transnationalisierung von (Lokal-)Staatlichkeit zu erwarten, das Momente der Auflösung nationalstaatlicher Ordnungsmuster in der Stadt ebenso beinhaltet wie (re-)essentialisierende Zugriffe auf ökonomische Potentiale und soziale Risiken der vermeintlich sozialräumlich wirksamen „Communities“ und „Milieus“ der Stadt der Vielfalt.
Konzeption, Leitung: Robert Pütz
Konzeption, Bearbeitung: Mathias Rodatz
Projektbezogene Veröffentlichungen
- Dölemeyer, Anne; Mathias Rodatz (2010): Diskurse und die Welt der Ameisen. Foucault mit Latour lesen (und umgekehrt). In: Robert Feustel; Maximilian Schochow (Hg.): Zwischen Sprachspiel und Methode. Perspektiven der Diskursanalyse. Bielefeld: Transcript, 197–220.
- Pütz, Robert (2004): Transkulturalität als Praxis. Unternehmer türkischer Herkunft in Berlin. Bielefeld: Transcript.
- Pütz, Robert (2005): Marginalisierte Unternehmer: Armut als Bestandteil der Migrantenökonomie. In: Migration und Soziale Arbeit, 27(3/4), 202–210.
- Pütz, Robert; Mathias Rodatz (2013): Kommunale Integrations-und Vielfaltskonzepte im Neoliberalismus. Zur strategischen Steuerung von Integration in deutschen Großstädten. In: Geographische Zeitschrift, 101(3+4), 166–183
- Rodatz, Mathias (2012): Produktive „Parallelgesellschaften“. Migration und Ordnung in der (neoliberalen) „Stadt der Vielfalt“. In: Behemoth. A Journal on Civilisation, 5(1), 70–103
