Policing American Style in Frankfurt am Main?
Internationaler Transfer von Polizeistrategien als Element städtischer Sicherheitspolitik
Abstract | Das Projekt untersucht den Wandel städtischer Sicherheitspolitiken in Frankfurt am Main durch policy transfer aus den USA – insbesondere durch die Einführung von zero tolerance policing, broken windows theory und community policing – als Teil einer umfassenderen neoliberalen Neuordnung des Städtischen
Problemstellung | Unter der Ägide verschärfter Städtekonkurrenz erfuhr das Thema Sicherheit auf städtischer Ebene einen Bedeutungsgewinn. Als Wandel im Feld städtischer Sicherheitspolitiken seit den 1990er Jahren diskutieren verschiedene Autor_innen (in Deutschland z.B. Volker Eick, Jan Wehrheim, Bernd Belina, Verena Schreiber, Rafael Behr, Florian Flörsheimer und Kendra Briken):
- einen verstärkten Fokus auf Ordnung und eine entsprechende Ausweitung substrafrechtlicher Eingriffsbefugnisse (z.B. Aufenthaltsverbote in Polizeigesetzen; städtische Verordnungen),
- die Etablierung eines „Kontrollmix“ verschiedener Sicherheitskräfte (v.a. Landes-, Bundes-, Stadt– und freiwillige Polizei, private Sicherheitsdienste, zweiter Arbeitsmarkt, sowie zunehmend auch Soziale Arbeit),
- bereits seit den späten 1980ern eine Verstärkung der präventiven – also frühzeitigen, auch repressiven – Kriminalitäts– und Ordnungsstörungsbekämpfung (inklusive „Technoprävention“ z.B. durch städtebauliche Maßnahmen oder CCTV), und
- begrenzte Tendenzen eines Rescaling (z.B. durch Stadtpolizeien, Community Policing und kommunale Kriminalprävention).
Diese Entwicklung wird als „neoliberale“ Redefinition sozialpolitischer Herausforderungen als sicherheitspolitische Anforderungen kritisiert. Eine zentrale, jedoch für Deutschland bis dato nicht systematisch untersuchte Rolle in Westeuropa wird dabei dem Transfer eines in den USA fortgeschrittenen neoliberalen Ausbaus von Kontrollinstanzen und befugnissen nicht zuletzt unter dem Label Zero Tolerance zugeschrieben (z.B. Loic Waquant). Weniger beachtet blieb dabei bisher, dass die neoliberale Ausweitung von Kontrollbefugnissen und anforderungen auf städtischer Ebene seit den 2000er Jahren verstärkt mit einer auf Effizienz und Einsparung gerichteten Neoliberalisierung des Polizeiapperats (z.B. Neues Steuerungsmodell) konfligiert und keineswegs reibungsfrei von statten geht.
Fragestellung | Das Projekt untersucht die widersprüchlichen Veränderungen im Feld des Polizierens der Großstadt und fragt:
- Welche diskursiven, organisatorischen und strategischen Verschiebungen im Polizieren von Großstadtphänomenen lassen sich beobachten?
- Welche Rolle spielt der Transfer von Wissensbeständen bzw. Diskurselementen aus den USA?
- Zeichnet sich in den 2000er Jahren nach der Hochzeit von städtischen Sicherheitsdiskurs wie städtischer Sicherheitsforschung in den 1990er Jahren ein signifikanter Wandel städtischer Sicherheitspolitiken ab – d.h. nach den verstärkten Bemühungen um Verwaltungsreformen auf Landesebene einerseits und einem diskursiven Wandel in der Stadtentwicklungspolitik von der Forderung nach mehr (selektiver) Sicherheit und Ordnung zu mehr (selektiver) Toleranz andererseits?
- Inwiefern lassen sich die beobachteten Verschiebungen als „neoliberal“ charakterisieren? Welche Brüche und Widersprüche neoliberaler Logiken zeigen sich?
Methoden | Das Projekt untersucht diese Fragen mittels einer Methodenkombination. Es startete mit einer Maxqda-basierten Analyse von polizeilichen Fachtexten (Quellen: ‚Die Polizei‘ & ‚Kriminalistitik‘ seit 1990). Ergänzt wird diese durch Interviews mit Expert_innen aus Vollzugs– und Stadtpolizei sowie einzelnen zivilgesellschaftlichen „Ko-Produzent_innen“ von Sicherheit und Ordnung in Frankfurt am Main sowie eine themenbezogene Auswertung der lokalen Tagespresse (v.a. Frankfurter Rundschau, seit 2000). Die Verschiebungen im repressiven und präventiven Polizieren in Frankfurt am Main wird anhand einer begrenzten Zahl an thematisch organisierten Fallstudien untersucht: 1. Drogen, 2. Prostitution, 3. Jugend, 4. Alkoholkonsum.
Leitung: Bernd Belina, Helga Cremer-Schäfer, Oliver Brüchert
Bearbeitung: Jenny Künkel
Hilfskräfte: Eva Kuschinski, Christiane Kretschmer (Tagungsbetreuung), Daniel Mullis (ehemalig), Angelika Hubl (ehemalig)
